Nach zweimonatiger Pause sehen wir unsere „Kleinen“ wieder, und ein seltsames Gefühl durchdringt hier so manchen Imkerkollegen: Wie geht es nun den Bienen, sind sie brutfrei und können sie jetzt ein letztes Mal behandelt werden (Restentmilbung)? Ist es nicht doch zu kalt, jetzt den Deckel der Beute zu öfnen, und überhaupt erforderlich, die Völker noch so spät im Jahr zu stören? Und: Natürlich ist es spannend, jetzt die Völker kontrollieren und einen prüfenden Blick hinein werfen zu dürfen.
Ob dieses Rendezvous mit dem Imker auf genauso viel Begeisterung bei den Bienen trifft, bleibt äusserst zweifelhaft, wissen sie doch nichts von der Hilfe, die ihnen da widerfährt, und quittieren jegliche Winterstörung mit einem jämmerlich klingenden Aufheulen.
Viele Imker berichten von unterschiedlich stark befallenen Völkern – Einheiten, die noch im September für nahezu milbenfrei erklärt wurden, könnten bei Fehleinschätzung der Volkssituation ohne imkerliches Eingreifen dem Tode geweiht sein. Nicht immer liegt hier ein Auswertungsfehler der Stockwindel und der sich darin befindlichen, natürlich gefallenen Varroen vor.
Die auf einem Schätzprinzip fussende Ermittlung der Schadensschwelle im Bienenvolk liefert wertvolle Hinweise auf den Grad der Parasitierung, ist aber leider keine Garantie für eine erfolgreiche Auswinterung. Eine Restentmilbung bei Brutfreiheit ist daher obligatorisch.
Oxalsäure ist die einfachste aliphatische Dicarbonsäure. In Form ihrer Salze (Calciumoxalat) ist sie ein häufiger Inhaltsstoff von Pflanzen. Entdeckt wurde sie erstmalig im Sauerklee, allerdings wurde sie auch in anderen Nahrungspflanzen, wie Portulak, Mangold und Spinat, aber auch in Honig, nachgewiesen.
Zur Milbenbekämpfung wird sie seit Mitte der 1980er Jahre in Osteuropa eingesetzt; ihr guter Wirkungsgrad (im Mittel erreicht sie 95% Milbentoxizität bei Brutfreiheit) führte zu einer begrüssenswerten Abkehr von konventionellen Behandlungsmethoden wie der Träufelung von Perizin.
In unserer Imkerei wird Oxalsäure (wir verwenden OXUVAR) als wässrige Zuckerlösung eingesetzt. Hierbei ist ein Hautkontakt unbedingt zu vermeiden (Grundanforderung: Handschuhe!).
Die mitgelieferte Weithalsdose (bereits gefüllt mit Oxalsäure-Dihydrat) wird im Wasserbad erwärmt, das Saccharosepulver vollständig in das Behältnis gefüllt, gut verschlossen und geschüttelt. Für die richtige Behandlung von Bienenvölkern macht es wenig Sinn, die Einheiten starr in die Kategorien „schwach“, „mittel“ und „stark“ einzustufen, die dann generell mit 30, 40 oder 50 ml der Lösung behandelt werden – Fehler bei dieser Klassifizierung sind leider häufig und führen zu einer Überdosierung der Oxalsäure mit dem Ergebnis eines verstärkten Bienenabgangs und der Auswinterung von geschwächten, nicht trachtbereiten Völkern im Frühjahr.
Wir träufeln 5 ml der oxalsäurehaltigen Zuckerlösung je besetzter Wabengasse (zweiräumige Bruträume werden hierbei aufgerissen) und können diese Methode auch anderen Imkern empfehlen. Die Aussentemperatur, bei der wir diese Arbeiten erledigen, sollte möglichst bei maximal 5 Grad Celsius liegen.
Meine Mutter behandelt ihre Bienenvölker in Litauen im Winter ebenfalls nach dieser Methode, wobei hier die Aussentemperaturen zum Behandlungszeitpunkt durchaus unter dem Gefrierpunkt liegen. Wenn zügig gearbeitet wird, scheinen Honigbienen diese Prozedur auch unter erschwerten Bedingungen gut zu tolerieren und wintern ähnlich stark aus wie ihre Schwestern in Deutschland.
Grundsätzlich sollte bei der Behandlung mit Oxalsäure Brutfreiheit vorherrschen – theoretisch tritt dieser Fall drei Wochen nach dem ersten Frost ein. Da es sich hierbei nur um eine Faustregel handelt, führen wir je Stand eine Stichprobe, vorzugshalber am Ableger, durch.
Ich erlaube mir, folgende Fragen aufzuwerfen:
Nach Beendigung meines Studiums glaubte ich (wie wohl viele junge Menschen), alles über mein Objekt der Begierde – die Biene – zu wissen. Zur damaligen Zeit hätte ich Fragen nach der Bedeutung einer Beutengrösse, Sinn der Rassezucht, Art und Weise von Fütterung/Zusatzfütterung vehement negiert. Praktika im In- und Ausland in Grossimkereien sowie meine Mitarbeit in unserer Berufsimkerei änderten meine Sichtweise entscheidend – die Praxis scheint auf wissenschaftliche Einwände nicht immer Rücksicht zu nehmen; in Wirklichkeit ist vieles anders, als wir glauben.
Wer das Gesamtverhalten seiner Bienenvölker ständig mit der Evolution beantwortet, wird meiner Sichtweise schwerlich folgen können. Getreu dem Motto: „Die Biene und das Schaf ernähren ihren Herrn im Schlaf “ imkern viele Kollegen munter drauf los. Die mahnenden Worte meines Schwiegervaters, der früher selbst imkernder Schäfer gewesen ist, klangen jedoch etwas anders: „Bienen und Schafe können ihren Herrn über Nacht reich machen, aber wenn er dann aufwacht, ist der Traum meist vorbei.“
Viele Methoden der praktischen Imkerei sind veraltet und gehören auf den Prüfstand, doch sind leider nur die wenigsten von uns Imkern bereit, etwas zu ändern. Besonders wer – wie wir – die Haupteinnahmequelle in der Erzeugung von Bienenhonig sucht, wird stets bemüht sein, mit den gegebenen Mitteln einen maximalen Erfolg zu erzielen (und nicht danach streben, mit dem minimalen Einsatz einen maximalen Ertrag zu erzielen. Dies würde dem Minimax-Prinzip entsprechen, das in der Diätplanung sehr erfolgreich ist, aber in der Nutztierhaltung nur selten greift). Unnötige Ausgaben sowie zeitintensive Betriebsweisen sind stets zu vermeiden, genauso wie simplizistische Notlösungen für zu gross gewordene Imkereibetriebe (dies kann genauso gut ein Hobbyimker mit 23 wie auch ein Berufsimker mit 2.300 Völkern sein).
Eine erfolgreiche Imkerei steht m. E. nach auf zwei Grundpfeilern:
Müsste ich gezwungenermassen wählen und auf wichtige Dinge in unserer Betriebsweise verzichten, wären dies beides die Punkte, die ich unter keinen Umständen aufgeben würde.
Eines der grössten Probleme in der deutschen Imkerei ist wohl der Hang zum Experiment sowie der dem ewigen Zeitgeist nachjagende Wunsch, anders zu sein. So mutieren Experimente nicht selten zur letalen Dosis für unsere „Kleinen“, wenn wieder einmal säuregetränkte Bierdeckel oder Schwammtücher die Varroabehandlung fraglich und die Aussentemperaturen schicksalhaft machen; der Wunsch, anders zu sein, treibt gar die Ehepartnerin zu einer anderen Betriebsweise (er imkert in Deutsch Normal, sie in der Warré-Beute). Zuchtbemühungen scheinen in unserer heutigen Zeit ebenfalls nicht mehr modern zu sein. Varroatoleranz durch Nutzung der heimischen, guten Landrasse, Standbegattung durch Bildung eines Begattungsablegers und anschliessender rascher Jungvolkentwicklung, eigene Selektion am Hobbyimker-Stand und viele weitere neuzeitliche Sichtweisen sollen die Imkerei attraktiv machen und Alt & Jung wieder auf die Biene einschwören.
Grundvoraussetzung für die Bejahung oder Verneinung dieser Thesen ist die persönliche Motivation zur Imkerei. Berufsimker sind meist dazu gezwungen, rationell und erfolgreich zu imkern – hier ist die Gabe der Natur zur Bienenzucht (Erhaltung ihrer Art vor Einschleppung der Varroamilbe) und Zuchtaussichten bei Standbegattung (jeweils ein Drittel schlechte, mittlere und gute Bienenvölker) genauso als unattraktiv zu bewerten wie vom Paarungsflug nicht zurückgekommene Jungköniginnen oder „Rohrkrepierer“, die in einer kleinen Zuchteinheit wie der Mini-Plus-Beute erheblich weniger wirtschaftlichen Schaden anrichten als bei einem Begattungsableger.
Hier hat der Hobbyimker die Wahl. Doch glaube ich persönlich, dass eine Freizeitbeschäftigung immer dann besonders viel Freude macht, wenn ein optimaler Zustand zur Ausübung des Hobbys vorgefunden wird. In diesem speziellen Fall: schwarmträge, friedliche Völker, die viel Honig einbringen und mit den Belastungen der Umwelt gut zurechtkommen.