„50% Völkerverluste schon vor dem Winter!“, das ist inzwischen die mit schöner Regelmässigkeit wiederkehrende Horrorbotschaft vieler Imkervereine zum Jahresende. Gerade starke Völker, die im Juli und August das Futter noch zügig abgenommen hatten, bestehen im September bei manchem Bienenhalter nur noch aus einem Häuflein Elend auf kranker Brut. Schnell sind die Übeltäter an die Wand gestellt: je nach Gusto können Betroffene und Presse zwischen bekannten oder bisher namenlosen Krankheitserregern, Pestiziden, Gentechnik, Monokulturen, Handystrahlen, überzüchteten Bienenrassen, mangelnder Vitalität, Stress, Klimaerwärmung oder Dominoeffekt wählen. Nur der Imker selbst ist sich meist keiner Schuld bewusst. Vireninfektionen können nach neuesten Erkenntnissen zum Völkertod beitragen, schliesslich sind Brutschäden und verkrüppelte Bienen (Abb.1 und 2) meist ein untrügliches Zeichen des bevorstehenden Untergangs. Tatsächlich sind viele Viren jedoch permanent in den Bienenvölkern nachweisbar und offenbar meist schadlos. So bleiben Bienen, die das Verkrüppelte-Flügel-Virus schon als Ei, durch das Sperma oder durch Futtersaft erhalten haben, völlig gesund. Wird das Virus jedoch durch einen saugenden Parasiten wie Varroa direkt ins Bienenblut übertragen, können die typisch verkrüppelten Flügel auftreten. So lautet auch der aktuelle Rat der Virenexperten: „Wer konsequent und planvoll Varroa-Milben eliminiert, schaltet so den Übertragungsweg von gefährlichen Virusinfektionen aus und hilft seinen Bienen zu überleben. “Damit übereinstimmend zeigen alle seriösen Studien der letzten Jahre: dramatische Winterverluste wie etwa 1995/1996, 2002/2003, 2005/2006, 2007/2008 oder 2009/2010 waren das „dicke Ende“ einer Reihe von imkerlichen Nachlässigkeiten in Bezug auf einen mächtigen Feind: die Varroa-Milbe.
Abb.2 Auffällig geschädigte Brut bei meist starkem Varroabefall. In diesen Zellen entstehen keine gesunden Winterbienen.
Der Milbe selbst ist dabei gar kein Vorwurf zu machen. Auf ihrem Ursprungswirt, der Östlichen Honigbiene in Südostasien, ist sie ein harmloser Schmarotzer, der zwar auf Kosten der Bienen lebt, diese jedoch nicht wesentlich zu schädigen oder gar zu töten vermag. Der Hauptgrund: auf den widerstandsfähigen Bienen kann Varroa sich nur in männlicher Brut fortpflanzen. Diese wird nur unregelmässig und in kleinen Mengen aufgezogen. Zudem schwärmen die meist kleinen Völker häufig und verlassen bei starkem Befall mit Parasiten oder Krankheiten geschlossen ihre Heimstatt, lassen dabei die „verseuchte“ Brut zurück. Damit tun asiatische Bienen, was in Varroa-Bekämpfungskonzepten empfohlen wird: Varroa nicht in Drohnenbrut vermehren lassen, Ableger bilden und dadurch den Milbendruck verteilen, auf Wabenhygiene achten!
Welch Schlaraffenland herrscht dagegen für die Milbe in europäischen Völkern, die überhaupt erst durch menschliche Aktivitäten in die Reichweite des Parasiten gelangten. Beim neuen Wirtstier ist plötzlich auch Arbeiterinnenbrut ein „gefundenes Fressen“, das noch dazu über fast das ganze Jahr in rauen Mengen zur Verfügung steht. Aus nur einer Milbe können so in nur einem Jahr etwa 100 entstehen.
Eindeutig Varroa-resistente Bienen, die wie die asiatischen Bienen dauerhaft mit der Milbe überleben können, sind in Europa leider noch Zukunftsmusik. Umso bedeutender für eine Gesunderhaltung unserer Völker ist die gezielte und umsichtige imkerliche Hilfe zur rechten Zeit.
In europäischen Bienenvölkern befinden sich während der Brutsaison bis zu 80% der Milben ständig zur Vermehrung in der Brut. Selbst wenn konsequent Drohnenbrut geschnitten wird, nimmt die Milbenpopulation über die Bienensaison stark zu. Solange nur Sommerbienen parasitiert werden, führt das selten zu irreparablen Schäden. Ein normal starkes Volk von etwa 20’000 Bienen erträgt bis Mitte August problemlos 10’000 Milben. Danach wird solch hoher Befall jedoch kritisch, denn in den knapper werdenden Brutzellen tummeln sich häufig gleich mehrere produktionswillige Muttermilben. Viele der so befallenen Jungbienen leiden durch den Blutverlust und beim Milbenstich übertragene Krankheitserreger unter Missbildungen und werden nur wenige Tage alt. Bei nur oberflächlicher Wabendurchsicht fallen diese Symptome gerade in starken Völkern leider kaum auf. Betroffene Imker werden dann durch vermeintlich „unerklärliche“ Volkszusammenbrüche überrascht.
Wird ein solch stark befallenes Volk jedoch rechtzeitig, das heisst vor der Aufzucht der Winterbienen ab Ende August, von seiner Milbenlast befreit, entwickelt es sich normal weiter. Der starke Befall der Sommerbienen hat dann keine nachhaltige Schädigung der von ihnen aufgezogenen Winterbienen zur Folge.
Abb. 3a und 3c: So nicht! Papierne oder wochenlang eingeschobene Windeln sind für eine verlässliche Erfassung des Milbentotenfalls nicht geeignet.
„Kein einziges Volk im Winter verloren!“, diesen stolzen Satz höre ich erstaunlicherweise gerade von meinen vermeintlich ahnungslosen Neuimkern. Ihr Erfolgsrezept: stark eingewinterteVölker, ausreichend geeignetes Winterfutter und niedriger Varroa-Befall. Ihre effiziente Milbenbekämpfung besteht aus einem Dreierpack: Drohnenbrutentnahme, Ameisensäure vor und (wo nötig) nach der Auffütterung im August/September und Oxalsäure bei Brutfreiheit im Winter. Verschiedene wirksame Mittel werden also miteinander kombiniert, jedes zum Zeitpunkt seiner optimalen Wirksamkeit eingesetzt.
Stur nach einem vorgegebenen Bekämpfungs-Zeitplan verfährt jedoch kein mündiger Imker. Schliesslich können sich selbst Völker eines Standes in ihrem Milbenbefall erheblich unterscheiden. Manch eines ist nach überraschend hohen Vermehrungsraten von Varroa bereits Ende Juli – und damit früher als gewohnt - dem Tode nah. Anderen Völkern mit minimalem Befall hingegen kann man eventuell sogar jegliche Behandlung ersparen. Wer den Varroa-Befall seiner Völker im Blick behält, kann sein Behandlungskonzept optimieren und muss nicht im Blindflug behandeln.
Am wenigsten Zeit und Material investiert, wer die Anzahl der im Volk vorhandenen Varroa-Milben durch eine Gemülldiagnose abschätzt. Als Voraussetzung für effizientes Arbeiten und verlässliche Daten sind nur wenige elementare Punkte zu beachten:
Zwischen der Anzahl der pro Tag an „Alterschwäche“ oder nach Einwirkung der Bienen gestorbenen Milben und der im Volk vorhandenen Gesamtzahl leben der Milben besteht ein Zusammenhang. Er ist abhängig von der Menge der Brut, dem Befallsgrad, sowie von der Jahreszeit. Alle Faktoren, die für Milben lebensverkürzend wirken (viel Brut im Sommer und damit viele Möglichkeiten sich zu vermehren, hoher Milbenbefall und damit für die Einzelmilbe schlechtere Bedingungen) senken den Umrechnungsfaktor. In der Grafik sind all diese Faktoren berücksichtigt, sodass sie aus ihr verlässliche Werte ablesen können (Abb. 4, verändert nach Liebig, 2002).
Planvoll handeln – gesunde Völker überwintern
Anders als häufig empfohlen lasse ich mir nach dem Abschleudern der Altvölker gegen Mitte/Ende Juli mit dem Einfüttern, Einengen und der Varroabehandlung bis Mitte/Ende August Zeit. Der Grund?
Einfachere Beurteilung der Überwinterungsreife und erheblich erleichterte Wabenhygiene! Nach der Honigernte sitzen meineVölker auf 3 Zargen. Die unteren beiden Bruträume enthalten Waben, die
bereits 2½ bzw. 1½ Jahre bebrütet werden. Die oberste Zarge bisher unbebrütete Ex-Honigwaben, zu denen die Königin erst jetzt im Juli nach Entfernen des Absperrgitters Zugang erhält. Bis zum
Beginn der Spätsommerpflege (Mitte/Ende August) schrumpft das Brutnest der Wirtschaftsvölker so stark, dass die untere Zarge mit den ältesten Waben nun meist völlig brutfrei ist und komplett
entnommen werden kann. Wird diese Methode jedes Jahr wiederholt, sitzen meine Bienen ohne mühseliges Suchen entnahmereifer Waben stets auf frischem Bau. Voraussetzung für diese elegante
Vorgehensweise: 1) Die Bruträume bleiben beim Abschleudern unangetastet, sodass denVölkern auf den Randwaben mindestens 4 kg Futter verbleibt. So kann ich sorglos ohne Notfütterung 3 - 4 Wochen
verstreichen lassen. Jede Fütterung drückt die Bienen weiterhin in die untere Zarge, die dann nur mit Mühe entnommen werden kann. 2) Eine 3-tägige Windeldiagnose direkt nach dem Abschleudern gibt
mir Auskunft über den aktuellen Milbenbefall. Monatlich verdoppelt sich die Milbenzahl. Um schadlos abwarten zu können, sollten Altvölker Ende Juli nicht mehr als 10 Milben pro Tag und Jungvölker
nicht mehr als 5 Milben pro Tag verlieren. Diese Werte werden bei meinen Völkern nur selten überschritten. Gut so, denn eine so frühzeitige Not-Behandlung erfordert umständliches Einengen der
Altvölker und Brutschäden bei den Jungvölkern.
Checkliste - DAS können Sie sich im Juli schenken!
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